MIT PFERDEMIST UND SCHNECKENSCHLEIM GEGEN DEN CORONA-KEIM (Rezension)

* „Treffen uns nachher zum Spaziergang im Wald, an der zweiten Lichtung links, direkt hinter der hohen Tanne“, schreiben wir in großen, blauen Buchstaben auf ein Blatt Papier, falten es zwei Mal und halten es aus dem Fenster, bis der Wind es fortweht. Hin zu den Tieren im Wald. Um unseren Besuch anzukündigen. Den wir mit „Der Wald und das unsichtbare Etwas – Eine Mutmach-Geschichte für Groß und Klein“ von Eléonore Vanoli und mit Zeichnungen von Frédéric Krauke antreten.

Nach turbulenten Tagen mit Krankheit, Angst und Ungewissheit leben die Waldbewohner wieder fröhlich und zufrieden miteinander. Doch was war in der Zwischenzeit geschehen?

Die Waldbewohner erkranken

Blasse Nase, rotumrandete Augen und so schlabberige Ohren, wie es Schlappohren nur sein können – der Hase sieht schlecht aus, so richtig. Er ist krank, ganz schlimm. Das „unsichtbare Etwas“ hat ihn erwischt, herübergetragen aus einem anderen, fernen Wald. Höchst ansteckend scheint es zu sein, denn schon bald erkrankt auch der Frosch, der den Hasen kürzlich besuchte.
Eine Lösung muss her. Schnell.

Austausch über Windpost

In kurzen Kapiteln beschreibt Eléonore Vanoli die aufregende Suche nach derselben. Dabei haben die Waldtiere die freundliche Hexe an ihrer Seite. Über vom Wind verteilte Briefe, geschrieben in Reimform, verständigen sie sich miteinander. Diese sind, allein was den Textanteil betrifft, ein wichtiger Bestandteil der eigentlichen Geschichte. Sie geben uns einen Einblick in das, was die Tiere bewegt.

Der Illustrator Frédéric Krauke arbeitet hier durch denkbar simple, doch nicht minder raffinierte Gestaltung der Schriftstücke die Eigenheiten der Protagonisten heraus. Jeder von ihnen „schreibt“ in einer anderen Farbe, Dunkelblau der Bär, Lila die Eule, Grün der Frosch, Gelbgrün die Schnecke, Orange der Luchs, Blau der Dachs, Flieder das Kamel und Rot die Hexe. Warum der in Grün geschriebene Brief der Hexe an die anderen Zauberer zum Ende der Geschichte hin davon abweicht, erschließt sich uns allerdings nicht. Jeder Brief trägt zudem eine ganz besondere „Unterschrift“ – Pfotenabdrücke, Huf-, Fuß- und Schleimspuren, funkensprühende Zauberstäbe.

Zeichnungen zeigen dramatische Lage

In überaus kunstvollen Buntstiftzeichnungen lässt uns der freischaffende Künstler in den Wald blicken. Im Falle der kranken Tiere sind die Bilder gar ein wenig zum Fürchten – sie fühlen sich schließlich richtig mies.
An einigen Punkten fehlt uns jedoch die Klarheit. Die Hexe hat beispielsweise nicht nur, wie es sich ja nunmal gehört, je nach Gefühlslage unterschiedliche Gesichtsausdrücke, sondern gar variierende Proportionen – scheint sie auf einem Bild wohlgenährt, wirkt sie auf einem weiteren recht hager.

So lernen wir die Waldbewohner kennen, eines nach dem anderen. Und können mit ihnen fühlen, als sie die Nachricht über das unsichtbare Etwas erhalten.
Der ängstliche Regenwurm buddelt sich noch tiefer in die Erde, Bär und Kamel genießen eine heiße Sauna – die Hitze könne nur gut sein gegen dieses Unwesen -, Eule und Kautz nutzen die Zwangspause im Nest, um sich besser kennen zu lernen, die Biene kann den Gedanken an Tage ohne Blumen kaum ertragen, die Elster ist ganz zufrieden damit, ihr angehäuftes Blingbling erst einmal in Ruhe durchstöbern zu können, der optimistische Frosch beschließt, auch jetzt keine Angst zu haben. Selbst die Hexe, die sonst gemütlich ihren Frühstückskakao trinkt, mit ihrer Katze auf der Schulter, läuft ob der angespannten Lage nervös und haareraufend auf und ab.

Der Hilferuf der Hexe

Trotzdem gelingt es ihr, den erkrankten Tieren zu helfen, zumindest ein wenig. Sie braut Medizin aus Beeren, Pilzen, Wurzeln und Kräutern, aus Pferfemist und Schleim sowie die Fröstelnden wärmende Speisen aus Kröteneiern und Wildpfifferlingen.
Mit ihrem Gebräu lindert sie Beschwerden wie Fieber, Husten und Schnupfen, aber ein Gegenmittel zu finden, Zauber oder Gift, mag nicht gelingen. Ebenso mangelt es an einem Schutztrunk für die Gesunden.
Verzweifelt bittet die wildlockige Hexe ihre Hexenkollegen um Hilfe. Es eilt, denn die Tiere sind der Ausgangssperre langsam überdrüssig – die, die allein sind, fühlen sich schrecklich einsam, in Tier-Gemeinschaften gibt es häufig Streit.

Die Diplom-Pädagogin Eléonore Vanoli und Frédéric Krauke, der sich selbst als Sonnentänzer bezeichnet, zeigen auf einfühlsame Weise, wie der gemeinschaftliche Umgang mit einer solchen, alle ängstigenden und bedrückenden Lebenslage gelingen kann. Haben sie doch selbst die durch coronabedingte Einschränkungen gewonnene Zeit zum Schreiben und Zeichnen des Buches genutzt.
Im Wald bleiben über die Postsendungen alle miteinander verbunden, ein jeder ist wertvoll und wird gehört. Die Meisterin und der Meister des Waldes, Schnecke und Dachs, hören sie an, kommunizieren, entscheiden und lassen die übrigen Waldbewohner nie im Unklaren.

Mit kreativen Ideen gegen den Quarantäne-Frust

Unterdessen hat das Kamel eine Idee gegen die Langeweile: gemeinsam sollen die Tiere kreativ sein: Jeder malt, bastelt, schreibt. Jeder das, was er kann und mag. Der Wind trägt die liebevollen Überraschungen zu den anderen Tieren – der von Bär gestrickte Nasenwärmer ist dem Wurm Hängematte, der kranke Frosch bekommt Blumen von der Biene, von Eule und Kauz gedichtete Liebes-Reime landen bei der Katze der Hexe.
Auch dem Luchs aus dem fernen Wald, in dem der Spuk begann, fällt etwas ein. Er lädt seine Freunde zum gemeinsamen Musizieren ein. Jeder zupft, trompetet, klimpert so laut er kann aus seinem Fenster heraus. Ein Konzert über die Quarantänegrenzen hinaus.

So erreichen die Klänge auch die Hexe und geben ihr Kraft für die große Zusammenkunft der Zauberer. In einem wilden Hexentanz juchzen sie um brodelnde Kessel, studieren, experimentieren und probieren Zaubersprüche. Bis der Moorhexe schließlich lila Luftblasen aus dem Mund blubbern – was mag das bedeuten?

Düsterer Hexentanz und Raum für Farbe

Groß und Klein, wie der Untertitel des Buches es sagt, erfahren an dieser Stelle den mutmachenden Schluss der Geschichte. Die Altersempfehlung – der Verlag gibt Kinder von einem Jahr bis zwölf Jahren als Zielgruppe an, die 36-jährige Halbfranzösin Eléonore Vanoli selbst empfiehlt das Buch Kindern ab fünf Jahren – ist dabei jedoch mit etwas Feingefühl für das jeweilige Kind zu betrachten. Denn das glimpfliche Ende der Geschichte stimmt in der Tat hoffnungsvoll. Einige Bilder jedoch, beispielsweise von den kranken Tieren und dem Hexentanz, könnten doch eher erschrecken und sind recht düster.

Die Farbstimmung der letzten Buchseite hingegen kann jeder Leser, egal ob groß oder klein, selbst gestalten – sie ist zum Ausmalen in schwarz-weiß gehalten.

Schwachstellen in Buchbindung und Schriftsatz

Leider weist das im handlichen DIN-A5-Querformat angelegte Werk einige buchgestalterische Schwachstellen auf. Die Klebebindung ist unsauber gearbeitet, der Buchblock ist nicht mittig in die feste Umschlagspappe eingehängt, sodass das Buch in sich schief gezogen ist. Hier besteht dringend Handlungsbedarf von Seiten des Verlages.
Im Inneren gibt es Holperer im Schriftsatz. So fallen auf Seiten mit zwei nebeneinander angeordneten Textblöcken ungleichmäßige Zeilenabstände auf. Ein unruhiges Satzbild entsteht.

Hoffnung auf (beinahe) glücklichen Ausgang

Es trübt allerdings nicht die wunderbare Geschichte von Freundschaft, von Zusammenhalt in schwierigen Lebenslagen, von Mut und Kraft. Die gänzlich ohne ängsteschürende Worte wie Corona, Pandemie und Quarantäne auskommt. Jedoch leider furchtbar parallel zu dem verläuft, was wir alle aktuell erleben. Bleibt zu hoffen, dass sich das Leben an den glücklichen Ausgang hält. Mindestens für die allermeisten.

Der Wald und das unsichtbare Etwas – Eine Mutmach-Geschichte für Groß und Klein
Eléonore Vanoli, Frédéric Krauke (Illustrator)
Altersempfehlung: 1-12 Jahre (epubli), ab 5 Jahren (Eléonore Vanoli)
Hardcover, 64 Seiten
DIN A5 quer
Verlag epubli
23.11.2020
ISBN: 9783753123202
24,90 Euro

Fotos: Anja Jürges/STADT LAND WELTentdecker
Cover: Frédéric Krauke (Illustrator)

* Für den Beitrag wurde uns ein Rezensionsexemplar des Buches „Der Wald und das unsichtbare Etwas – Eine Mutmach-Geschichte für Groß und Klein“ zur Verfügung gestellt, er ist demnach Werbung. Der Text ist unbezahlt und zeigt lediglich unsere Erfahrungen und Meinung. DANKE für das Buch und die herzliche Kommunikation, liebe Eléonore! ♡

Weitere Buchentdeckungen findet ihr hier.

20 Kommentare

  1. 🙂 war für ein kurioser Titel 🙂 den du dir da hast einfallen lassen.
    Kleine Mutmach-Geschichten können wir derzeit sicher alle brauchen.
    Für unsere Motivation, das Durchhaltevermögen und die gute Laune.

    Eine schöne Rezension ist Euch da gelungen.

    Liebe Grüße, Katja

  2. Hi Anja,
    die Rezension ist super geschrieben und macht mich selber schon gespannt darauf die Geschichte zu lesen.
    dieses Buch ist perfekt für meine Neffen.
    Beiden fällt langsam die Decke auf den Kopf und es ist schwer den beiden zu erklären was gerade in der Welt los ist und wann sie wieder normal mit ihren Freunden spielen dürfen und wieder in den Kindergarten bzw. zur Schule gehen dürfen.
    LG
    Stephan

    • Danke, lieber Stephan. 🙂
      Du hast Recht. Besonders für Kinder sind solche Geschichten eine wunderbare Möglichkeit, um vielleicht zumindest ein klein wenig der aktuellen Situation kindgerecht zu begreifen.
      Herzlichen Gruß
      Anja

  3. Schade, dass es bei der Herstellung des Buches mit den schönen Zeichnungen Qualitätsmängel gibt. Es wurde sicherlich mit heißer Nadel gestrickt, damit es noch rechtzeitig in der Pandemie veröffentlicht werden kann.
    Die Geschichte an sich hört sich aber sehr gut und nach sinnvoller Lektüre in dieser Zeit an.

  4. Also bei dem Titel hätte ich erst mal an was ganz anderes gedacht. Danke für die Vorstellung, ich finde die Beschreibung ganz zauberhaft und selbst für mich ist das Buch bestimmt eine tolle Sache.
    Viele liebe Grüße an Dich
    Sandra

  5. Liebe Anja,

    in deiner Rezension bin ich darüber gestolpert, dass sich die Autoren als Sonnentänzer bezeichnen… Was genau ist denn ein Sonnentänzer?
    Bei diesem Mutmach- Buch bin ich etwas zwiegespalten. Ich glaube, dass ich es mit tatsächlich erst in einer Buchhandlung mal anschauen müsste, ehe ich es kaufen würde. Schon alleine, dass die Illustrationen teilweise nicht ganz stimmig waren, finde ich gerade bei Kinderbüchern etwas befremdlich. Denn ich habe festgestellt, dass den Jüngsten solche Details sehr wohl ins Auge fallen.
    Herzlichen Dank für deine ehrliche Review.

    Liebe Grüße
    Mo

    • Danke, liebe Mo. 🙂
      Das stimmt, Kindern fallen oft sogar die kleinsten Kleinigkeiten auf und das ist wunderbar. Unser Kind ist in diesem Fall allerdings fasziniert vom Bild des kranken Hasen. 😉
      Und zum Sonnentänzer: der Illustrator Frédéric Krauke bezeichnet sich selbst so – ein lebensphilosophischer Künstlertitel.
      Herzlichen Gruß
      Anja

    • Hallo Mo,
      es schreibt Dir Frédéric, Illustrator der Geschichte.
      Die unterschiedlichen Proportionen der Hexe ergeben sich aus den unterschiedlichen und ungewöhnlichen Betrachtungs-Perspektiven. Wenn wir die Hexe aus der Vogelperspektive mit einer Fisch-Eye Optik betrachten, wie sie wild in ihrem Zimmer herum rennt, dann wirkt sie gestaucht. Das hat Anja richtig erkannt, doch leider eher negative besprochen.
      Sonnentänzer versuchen Ausgleich zwischen den Kräften zu ermöglichen, die aus den Fugen geraten sind. Sie sind Teil der weitestgehend erlöschenden Kultur der Nord Amerikanischen Uhreinwohner. Der Sonnentanz ist eine Zeremonie verschiedener Indianerstämme der amerikanischen Prärien und Plains. https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnentanz

      Beste Grüße,

      Frédéric

      • Lieber Frédéric,
        herzlichen Dank für deinen Kommentar und die Hinweise.
        Was die unterschiedlichen Proportionen der Hexe in Abhängigkeit von der Perspektivart angeht, stimme ich jedoch nicht mit dir überein. Dass die Bildränder in der Fischaugenperspektive verzerrt dargestellt sind, ist dieser Perspektivart eigen und daher vollkommen unproblematisch.
        Unterschiedliche Proportionen habe ich bei der in ihrem Haus Kakao trinkenden Hexe und derselben, wie sie im Wald mit der Schnecke und dem Dachs die Situation bespricht, festgestellt – beide Bilder sind aus derselben Perspektive gezeichnet.
        Herzlichen Gruß
        Anja

      • Lieber Frédéric,

        herzlichen Dank für die Erklärung bezüglich der Sonnentänzer. Das ist sehr interessant, vor allem da ich mich für die Kultur der indianischen Stämme interessiere. Jedoch habe ich davon noch nichts gelesen. Wieder etwas gelernt.

        Wie in meinem Kommentar oben schon erwähnt finde ich es gut, dass Anja auch Aspekte angesprochen hatte, die sie unstimmig empfand. Genau das mag ich an Rezensionen. Danke, dass du auch hier darauf eingegangen bist.

        Liebe Grüße
        Mo

  6. Liebe Anja,
    Ich finde es gut, dass du auch die Schwachstellen des Buchs ansprichst. Nicht nur das mit dem Schriftbild und mit dem Einband, sondern auch das mit den Proportionen der Hexe. Das finde ich schon ein wenig merkwürdig. Ansonsten finde ich es toll, diese Geschichte gerade in der jetzigen Zeit zu erzählen – so bringt es Kindern das ganze Thema noch einmal deutlich näher.
    Liebe Grüße von Miriam

  7. Corona ist auch bei den Kindern Thema, können viele doch gerade nicht in die Kita oder in die Schule! Ich hör mir dann ihr Leid in der Praxis an und wir lenken uns dann mit ganz vielen lustigen Spielen ab! Das Buch finde ich interessant, mit weniger Text wäre es vielleicht auch was für die Therapiestunden!

    Liebe Grüße
    Jana

  8. Guten Morgen,

    so scheint es ja ein tolles Buch zu sein und ein süßes Cover zum Verlieben. Schade das es mit dem Material und der Herstellung nicht so toll ist. Das man nicht auf die Buchbindung nicht achtet ist schade. Sonst würde uns das gefallen.

    Liebe Grüße
    Julia

    • Liebe Julia,
      inzwischen hat sich herausgestellt, dass wir wohl unglücklicherweise ein mangelhaftes Exemplar zugesandt bekommen haben.
      Berichte uns gern, wie dir das Buch gefällt, solltest du es für euch bestellen. 🙂
      Herzlichen Gruß
      Anja

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