FARBIGE FEDERN FÜR EINEN GRAUEN VOGEL (Rezension)

* Ein winziger rosa Vogel lässt sich auf dem Laufrad-Lenker chauffieren. Mit hellgelbem Schnabel, neugierigen Augen und natürlich mit Helm. Ordentlich festklammern muss es sich, das zartflauschige Küken. Denn es geht rasant daher. Schließlich sucht der Hütehund Herr Manfried, der eigentlich ein Jagdhund ist, seine beste Freundin, die Füchsin, die viel lieber ein Hund sein möchte. Er übrigens gespielt vom laufradelnden Kind, sie von der Mama, die eigentlich vorweg flitzen sollte, aber zu tun hat hinterher zu kommen.

Ähnlich geschehen im Kinderbuch „Herr Manfried und der Papadu“ von Anne-Kristin Kastens und Arabell Watzlawik. Nur ohne Laufrad, mit ausgewachsenem Vogel, und etwas Vorsprung für Frau Fuchs, damit die Verfolgung auch glaubwürdig ist.

Doch wie kam es dazu?
Herr Manfried und Frau Fuchs waren allerbeste Freunde. Der Jagdhund mit dem ungewöhnlichen Namen bewachte als Hütehund das Revier des Jägers, denn Jagen war nichts für ihn – völlig in Ordnung für den Jäger. Und er brachte der Füchsin, die lieber ein Hund sein wollte, allerlei Kunststücke bei, die sie als solcher nun einmal können musste – Sitz, Platz, Rolle, Schwanzwedeln. Letzteres mit weniger Erfolg.

Ein Abenteuer liegt in der Luft

Gemeinsam durchstreiften sie Wald und Wiesen, spielten Ball und suchten Stöcke. Bis sie eines Tages eine ungewöhnliche Fährte aufnahmen. Nach Abenteuer roch sie. Und an ihrem Ende saß ein seltsamer Vogel. Seine Federn schillerten rot, grün und gelb. Prächtig war er. Und fest davon überzeugt grau zu sein.

Mit mächtig mieser Laune war er der rotbraunen Füchsin schnell zuwider. Obendrein behauptete er, sie sei und bliebe ein Fuchs. Trotz aller Hundekompetenz. Herr Manfried jedoch kümmerte sich um ihn und lud ihn, als es heftig zu gewittern begann, in die schützende Jägerscheune ein. Irgendwie gehörte er schließlich zum Rudel.

Doch der übellaunige Vogel blieb übellaunig und grollte nur so vor sich hin – das Futter schmeckte ihm nicht, der Schlafplatz war ihm nicht genehm, sein Gefieder war in seinen sturen Vogelaugen weiterhin grau. Und Frau Fuchs, da war er sich sicher, sei ein Fuchs.

Das ging der Hunde-Fuchsdame zu weit. Mit Tränen in den Augen rannte sie davon. So schnell sie konnte. Das wiederum ging Herrn Manfried zu weit. Er musste sie finden. Schließlich waren sie allerbeste Freunde.

Kurzerhand stellte er den merkwürdigen Vogel zur Rede. Der offenbar nie richtig hingeschaut hatte, denn farbenblind war er mitnichten. Halb Papagei, halb Kakadu, war er keines davon so richtig. Stattdessen: komisch. Ließen ihn die anderen Vögel glauben. Grau. Das musste er also sein. Und kein bisschen mehr.

Der Beginn einer komischen Freundschaft

Dass der bunte Vogel beinahe lautlos fliegen konnte und unglaublich weit sehen, rief ihm Herr Manfried in Erinnerung. Optimale Eigenschaften für die Suche nach Frau Fuchs. Die die beiden durch tiefen Modder erst zur davongelaufenen Füchsin führte. Und letztlich in eine innige Freundschaft zwischen drei in der Tat komischen Tieren.

Ein Hundetag in Herrn Manfrieds Revier

Anne-Kristin Kastens nimmt uns mit auf die Reise. Hin zur leuchtendgrünen Wiese am Rande des Waldes, zur großen alten Eiche und dem paradiesblauen Seerosenteich. Wo wir einen ganz gewöhnlichen Hundetag mit Herrn Manfried und Frau Fuchs verbringen. Bis auf das Abenteuer.

Nach und nach lernen wir die Protagonisten kennen, wissen schließlich um ihre schönsten Träume und tiefsten Ängste. Jedoch nicht etwa in einer drögen Vorstellrunde. Das alles geschieht ganz nebenbei, während wir Herrn Manfried und Frau Fuchs beim Hundsein-Üben begleiten und mit ihnen das Revier erkunden. Die Eigenheiten der Charaktere sind dabei so sensibel herausgearbeitet, dass keine davon irgendwie schrullig daherkommt. Im Gegenteil. Allesamt sind sie äußerst liebenswert.

Mit sprachlicher Raffinesse, hin und wieder einem verbalen Augenzwinkern und gleichzeitg anrührend lässt uns die Freie Redakteurin und Autorin regelrecht dabei sein. Wir werden vom Papadu angegrumpelt, wüten, verzeihen und schließen Freundschaft.

Jeder Satz, jedes Wort ist genau da, wo es hingehört. Und keines ist zu viel. Dabei wirkt nichts am Text, der übrigens in einem Folgebuch fortgesetzt werden soll, künstlich oder konstruiert. Anne-Kristin Kastens erzählt uns lediglich die Geschichte des komischen Trios. Unaufgeregt und ehrlich.

Bilder erzählen eigene Geschichten

Arabell Watzlawik macht munter mit. Auf der Bildebene verhält es sich nämlich ähnlich. In der scheinbar dahergekritzelten Struktur der Wiese und der Baumkronen hat jeder Grashalm und jedes Blatt seinen Platz. Tauschen unmöglich. Die digital gestalteten Zeichnungen wirken wild und echt und lebendig, und sind jede für sich kleine Kunstwerke.

Die Illustratorin begleitet mit den Bildern nicht nur die Geschichte. Sie schafft aus vielfältigen Perspektiven eine zusätzliche Erzählebene mit ganz und gar eigenen Handlungen. So folgt ein kleiner Maulwurf Herrn Manfried, Frau Fuchs und dem Papadu von Seite zu Seite durch das Buch. Er ist jedoch nicht nur Beobachter, sondern ganz und gar dabei. Wenn er (fast) versteckt unter dem für ihn viel zu großen Fernglas den komischen Vogel im Baum beobachtet, mit aufgespanntem Mini-Regenschirm vom Sturmwind zur Jägerscheune gepustet wird und das Planschen im Teich von seinem Papierboot aus genießt.

Freude, Trauer, Entsetzen, Wut, Enttäuschung und Erleichterung – Glaubwürdig, mehr noch: zum Mitfühlen, zeigt uns die 40-jährige Mama zweier Kinder die Empfindungen der einzelnen Charaktere. Herr Manfrieds lächelndes Hundegesicht offenbart nicht nur den Genuss der Streicheleinheit vom Jäger. Sondern das wohlige Gefühl des Angenommen-Werdens, genau so, wie er ist – eben kein Jagdhund.
Frau Fuchs ist beim Davonlaufen aus der Scheune im strömenden Regen nicht einfach traurig. Dicke Tränen kullern über ihr rot-weißes Gesicht. Sie ist verzweifelt und zutiefst verletzt, lässt doch ihr bester Freund den Vogel bleiben, der konsequent behauptet, sie könne kein Hund sein.

Typografie verbindet Text und Bild

Mit einer eigens für das Buch gemalten und anschließend digitalisierten Handletteringschrift schafft Arabell Watzlawik nicht nur eine Verbindung zwischen der Geschichte und den Illustrationen. Durch hervorgehobene Textpassagen entsteht ein ganz eigenes Layout, das beim (Vor-)Lesen große Freude macht und raffiniert Text und Bild zu einer Einheit verwebt.

Zu einer liebevollen Aufforderung zum Hinschauen, zum Kennenlernen. Uns selbst, fürs Erste. Eine Einladung zum Entdecken, wer oder was wir sein können und wollen. Ungeachtet dessen, wer oder was wir sind. Eine Liebeserklärung an das schillernd bunte Anderssein.

„Nicht so schnell!“, ruft unser Vogelnachwuchs derweil vom Laufradlenker. Die Krallen fest an der Stange, bewegt das Küken vorsichtig seine Flügel auf und ab. Lässt los. Und fliegt. Beinahe lautlos.

Titel: Herr Manfried und der Papadu
Urheber: Anne-Kristin Kastens (Autorin), Arabell Watzlawik (Illustratorin)
Altersempfehlung: für Kinder zwischen 4 und 10 Jahren
Umfang: 64 Seiten, gebunden
Maße: 24.5 x 16.8 cm
Herausgeber: Anne-Kristin Kastens & Arabell Watzlawik
Veröffentlichung: 15. März 2021
ISBN: 978-3-948581-02-2
Preis: 16,90 Euro

Fotos: Anja Jürges/STADT LAND WELTentdecker
Cover/Titelgrafik, Postkarten und Aufkleber: Anne-Kristin Kastens & Arabell Watzlawik

* Für den Beitrag wurde uns ein Rezensionsexemplar des Buches „Herr Manfried und der Papadu“ zur Verfügung gestellt, er ist demnach Werbung. Der Text ist unbezahlt und zeigt lediglich unsere Erfahrungen und Meinung. DANKE für das wunderbare Buch und die unkomplizierte und herzliche Kommunikation, liebe Anne und liebe Arabell! ♡

Weitere Buchentdeckungen findet ihr hier.

10 Kommentare

  1. Wahnsinnig süße Illustrationen. Komische Freundschaften liegen mir! Ich bin begeistert!
    Alles Liebe
    Annette

  2. Liebe Anja,
    Da musste ich gerade ganz genau lesen, um zu verstehen, wer hier wer ist und warum 😉 Und dann hatte ich doch Mitleid mit Frau Fuchs. Ich liebe Füchse – schade, dass sie gerne ein Hund wäre. Bei der Geschichte können Kinder sich einiges über Selbstliebe und Akzeptanz lernen.
    Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap

    • Liebe Miriam,
      ui, dann haben wir uns wohl nicht präzise genug ausgedrückt – vielen lieben Dank für den wichtigen Hinweis.
      Und zu Frau Fuchs: Wir haben das Gefühl, dass es ihr eigentlich ganz gut geht, solange sie Hund sein darf. Also keine Sorge. 🙂
      Herzlichen Gruß
      Anja

  3. Oh das Buch klingt nach einem tollen Kinderbuch!
    Ich finde es toll, dass die Bilder eine eigene Geschichte erzählen und doch eine Verbindung zueinander haben. Das macht Kindern so sicherlich viel mehr Spaß das Buch zu entdecken.
    Liebe Grüße,
    Saskia Katharina

  4. Hallo Anja,

    ein doch schönes Buch mit einer tollen Geschichte. Mir gefällt der Inhalt und das man beim Lesen ein Lächeln im Gesicht hat. Eine schöne Vorstellung und den Bildern.

    Liebe Grüße
    Julia

  5. Das verbale Augenzwinkern macht mich neugierig! Vor allem in einem Kinderbuch! Ich mag es, wenn kreativ mit Worten umgegangen wird! Wenn mein Materialienschrank nicht schon überquellen würde … 🙂

    Liebe Grüße
    Jana

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