AUF DEN SPUREN DER MUMINS – EIN KINDERBUCHKLASSIKER IN NEUEM GEWAND (Rezension)

* In langen, feinen Wasserfäden rinnt der Regen auf die Erde. Schon seit Tagen. Völlig durchnässt ist der Waldboden. Es plitscht und platscht bei jedem Schritt. Herrlich. Für uns zumindest, warm eingepackt in schützende Kleidung.

Mumin und seiner Mutter gefällt das gar nicht. Flink huschen die kleinen molligweißen Trolle durch dichtes Geäst, auf der Suche nach dem perfekten Platz für ein Haus als Schutz vor dem kalten Winter. Auf ihrer unbequemen Reise erleben sie allerlei Abenteuer. Und finden schließlich nicht nur eine Bleibe, sondern ungewöhnliche Freunde und den verschollen geglaubten Muminvater.

Ein Kinderbuchklassiker, für jüngere Leser aufbereitet

Unter dem Titel „Abenteuer im Mumintal – Nach drei Erzählungen von Tove Jansson“ hat der Verlag Urachhaus drei ausgewählte Geschichten des Kinderbuchklassikers im vergangenen Jahr neu herausgegeben. Die im Sammelband enthaltenen Erzählungen „Die Reise ins Mumintal“, „Die Mumintrolle und der Zauberhut“ und „Die Mumintrolle auf der Insel der Hatifnatten“ sind gekürzt nacherzählt worden, um sie auch jüngeren Kindern ab vier Jahren zugänglich zu machen.
Die Autorin Cecilia Davidsson und der Autor Alex Haridi haben die Geschichten in ihrer Komplexität und Länge reduziert, eventuelle Seitenstränge weggelassen, hingegen an anderen Stellen ganze Absätze in Tove Janssons Wortlaut übernommen. Mit dem Fokus auf eine andere Zielgruppe haben zudem die Illustrationen, in der Neufassung von Cecilia Heikkilä, mehr Raum und Gewicht bekommen.

Die Mumins und ihre Freunde im Porträt

Eine Vorstellung der ungewöhnlichen und vielfältigen Protagonisten der Geschichten zu Beginn des Buches erleichtert besonders denjenigen den Einstieg in die Muminwelt, die noch keine Bekanntschaft mit den dickbauchigen, knubbelnasigen Trollen und ihren Freunden geschlossen haben. So richtig lernen wir die äußerst komplex herausgearbeiteten Charaktere dann im Laufe ihrer Abenteuer kennen. Und werden Freunde.

Wundersame Abenteuer in der Welt der Mumins

Wir begleiten Mumin und seine Mutter in „Die Reise ins Mumintal“ durch den regenreichen Wald, durch dunkles Moor, auf einen mit Leckereien übersäten Berggipfel. Unterwegs treffen wir das Schnüferl und den Schnupferich. Stellen einander vor. Und nehmen sie kurzerhand mit auf die Reise. Auf dem Rücken eines Marabus fliegen wir über die Überschwemmung hinweg bis zum Baum, auf dem der Muminvater ausharrt. Und finden mit ihm das buntbewachsene Tal, in das die Wassermassen das blaue Turmhaus gespült haben. Wie gut, dass die umsichtige Trollmama selbst auf Ausflügen mit unzähligen Hausmittelchen und alltäglichem Utensil im Gepäck für jede Eventualität ausgerüstet ist.

Einen ganz gewöhnlichen Mumintag erleben wir in „Die Mumintrolle und der Zauberhut“ – voller fantastischer Ereignisse. Wir fliegen auf Wolken, die eigentlich Eierschalen sind, und zaubern versehentlich einen Urwald in das Muminhaus. Hier weiß selbst die Muminmutter keinen Ausweg. Oder doch. Mit ihren selbstgebackenen Pfannkuchen bezirzt sie den Zauberer, dessen verlorener Hut für all das Wirrwar verantwortlich ist. Und verwandelt die beängstigende Situation in ein geselliges Fest.

„Die Mumintrolle auf der Insel der Hatifnatten“ bringt uns mit dem Boot auf eine kleine grüne Insel. Perfekt für einen unerträglich heißen Sommertag. Zöge nicht ein Gewitter auf. Das die Heimfahrt unmöglich macht. Und die gemeinsame Nacht im Zelt zu einem weiteren Abenteuer.

Sehnsucht nach Abenteuer und Sicherheit

Ein Zwiespalt zieht sich durch alle Geschichten, verbreitet eine beinahe mumintypische Stimmung. Es ist die Zerrissenheit zwischen Abenteuerlust und einer Sehnsucht nach der Sicherheit der Familie, dem heimeligen Zuhause. Von welchem die Muminmutter in ihrer wohlbehüteten Handtasche glücklicherweise immer ein Stückchen dabei hat – warme Socken, Kaffeepulver, Bonbons.
Mumin trägt diesen inneren Konflikt – wie wohl ein Großteil aller Kinder – sehr deutlich in seinem Charakter. Er liebt die kleinen und großen Abenteuer im Mumintal. Wird es jedoch allzu gefährlich oder gruselig, braucht er die Nähe der Mutter.
Auch der Muminvater schwärmt von seinen abenteuerlichen Erlebnissen, die er in seinen Memoiren festhält. Doch weiß niemand so genau, ob er sie tatsächlich erlebt hat.

Geschichten führen an zauberhafte Fantasieorte

Die gemeinsam erlebten Begebenheiten sind so unwirklich und tief fantasievoll angelegt, dass in der Tat alles geschehen kann. Wen wundert es da, dass just in dem Moment, als die Mumins und ihre Freunde zu einem sommerlichen Ausflug aufbrechen wollen, ein angespültes Boot vor ihnen am Strand liegt. Dass der eben noch über den Hutverlust erboste Zauberer, der sich in fast alles verwandeln kann, plötzlich friedlich Pfannkuchen nascht. Dass die grimmige Schlange im Moor ausgerechnet heute keinen Appetit auf Mumins hat.
Ein Ereignis bedingt das nächste, reiht sich an ein weiteres. Ausgeschmückt mit vielen Kleinigkeiten, welche die Fantasie zu einer kleinen, lebendigen Muminwelt zusammenfügt, werden die zauberhaften Geschichten plötzlich wahr. Zumindest für einen Augenblick.

Neu: Großflächige farbenprächtige Illustrationen

Während die ursprünglichen Kinderbücher von Tove Jansson nur vereinzelt kleine Schwarz-Weiß-Illustrationen enthalten, ist der neue Sammelband geprägt von farbenprächtigen Zeichnungen. Sie stehen in einem angenehmen Gleichgewicht zum Textanteil des Buches.

Cecilia Heikkilä begleitet in teils schwarz-weißen, teils farbigen Bildern die Geschichten und gibt den Charakteren Gesichter. Die schwedische Grafikdesignerin und Illustratorin zeigt uns die wundersame Muminwelt, von der die Erzählungen berichten. Blau-, Grün- und Sandtöne dominieren die Farbstimmung, angelehnt an Tove Janssons Covergestaltungen für die damaligen Muminbücher. Weiß leuchten regelrecht die Mumins aus den bunten Landschaften und Räumen. Wie feine Muster überziehen kleine Blumen, Muscheln, Blätter und Früchte die flächig angelegten Farbfelder.

Präzise Darstellung der Gefühle in nur wenigen Strichen

Neugierig, betrübt, ängstlich, freudig, müde, überrascht – obwohl die gezeichneten Mumins lediglich Augen und Augenbrauen, ihre mund- und nasenlose Schnauze und ihren rundlichen Körper als Ausdrucksmittel ihrer Gefühle besitzen, sind ihre Empfindungen deutlich ablesbar. Kleine Variationen an Augen und Augenbrauen sowie ausdrucksstarke Körperhaltungen zeigen unterschiedliche Stimmungen – Selbst für junge Leser und Zuhörer klar zu deuten.

In die oftmals seitenfüllenden Bilder ist der Text sensibel und zurückhaltend eingearbeitet. Er drängt sich nicht auf und ist dennoch angenehm lesbar.

Innen und außen: Hochwertiges Gesamterlebnis

Buchgestalterische Aspekte komplettieren den überzeugenden Gesamteindruck. Die Seiten sind aus festem, griffigen Papier, das auch kleinste Buchentdecker mühelos blättern können. Der hochwertige Halbleinen-Bucheinband schafft ein langlebiges Kinderbuch – zum Weitergeben an die nächste Generation.

Spagat zwischen ursprünglichem Stil und zeitgemäßem Kinderbuch

Das Trio aus Autorin und Autor sowie Illustratorin, allesamt aus Schweden, hat mit „Abenteuer im Mumintal – Nach drei Erzählungen von Tove Jansson“ einen Kinderbuchklassiker für jüngere Leser mit äußerster Bemühung um den ursprünglichen Stil feinfühlig aufbereitet. Cecilia Davidsson, Alex Haridi und Cecilia Heikkilä ist dabei der Spagat zwischen dem Beibehalten des Wesens dreier vor beinahe 75 Jahren geschriebener Geschichten und dem Entstehenlassen eines zeitgemäßen Kinderbuches gelungen. Die Texte und Bilder kommen an keiner Stelle altbacken daher und tragen doch den Charme der Mumingeschichten, die wir aus unserer Kindheit kennen.

Titel: Abenteuer im Mumintal – Nach drei Erzählungen von Tove Jansson
Inhalt: Die Reise ins Mumintal, Die Mumintrolle und der Zauberhut, Die Mumintrolle auf der Insel der Hatifnatten
Urheber: Cecilia Davidsson (Autorin), Alex Haridi (Autor), Tove Jansson (Autorin), Cecilia Heikkilä (Illustratorin)
Altersempfehlung: ab 4 Jahren
Umfang: 96 Seiten, gebunden
Maße: 26,5 x 20 cm
Herausgeber: Verlag Urachhaus
Veröffentlichung: 1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8251-5223-9
Preis: 20,00 Euro

Original Titel: Sagor från Mumindalen
Original Verlag: Bonnier Carlson Bokförlag, Stockholm
Original Sprache: Schwedisch
Übersetzerin: Birgitta Kicherer

Fotos: Anja Jürges/STADT LAND WELTentdecker
Cover/Titelgrafik: Verlag Urachhaus

* Für den Beitrag wurde uns ein Rezensionsexemplar des Buches „Abenteuer im Mumintal – Nach drei Erzählungen von Tove Jansson“ zur Verfügung gestellt, er ist demnach Werbung. Der Text ist unbezahlt und zeigt lediglich unsere Erfahrungen und Meinung. Ein herzliches DANKE für das schöne Buch und, an Claudia Rehm und Diethild Plattner, für die unkomplizierte und herzliche Kommunikation! ♡

Weitere Buchentdeckungen findet ihr hier.

13 Kommentare

  1. Hi Anja,
    die Ursprünglichen Geschichten kenne ich zwar nicht aber so wie du es beschreibst klingen sie sehr interessant.
    Ich finde es eine schöne Idee die alten Geschichten wieder etwas aufzubereiten und ins hier und heute zu übertragen.
    Ich glaube dieses Buch würde meinem Neffen sehr gut gefallen, habe es auf meine Geschenkeliste geschrieben.
    LGStephan

    • Lieber Stephan, danke für deinen Kommentar. Ich bin mir sicher, dass dein Neffe Freude an den Mumingeschichten haben wird, inzwischen gibt es sogar noch zwei weitere, ebenfalls vom Verlag Urachhaus herausgegeben.
      Verrate uns gern mal, wie euch das Buch gefallen hat, wenn du magst.
      Herzlichen Gruß
      Anja

  2. Liebe Anja,

    leider kenne ich diese Geschichten überhaupt nicht. Aber ich finde es toll, wenn Verlage sie neu auflegen und um schöne Illustrationen erweitern. Hier scheint ja wirklich alles zusammenzupassen. Toll. Ich schaue mich mal beim Verlag und seinem Programm um.

    Liebe Grüße
    Mo

  3. Oh die Mumins kenne ich auch! Und das Buch klingt klasse, das wäre was für meine Tochter. Und wie schön wenn beim Vorlesen dann selbst Erinnerungen wach werden. Die drei Geschichten in dem Band klingen auf jeden Fall super, danke für die tolle Vorstellung.

    Liebe Grüße,
    Diana

  4. Hallo Anja,

    ein schönes Buch und eine tolle Geschichte. Also ich würde mich drüber freuen und ich liebe deine Tipps und Vorstellungen. Gerade wenn man eine Idee zum Verschenken braucht. Und der Sohn einer Freundin hat bald Geburtstag. Da wäre ein Buch Danke für die Vorstellung.

    Liebe Grüße
    Julia

  5. Ich kenne die Mumins vom Sehen schon ziemlich lange, aber muss ehrlich sein: Ich kenne keins ihrer Abenteuer! Aber das Buch scheint richtig schön gestaltet zu sein! So herrlich skandinavisch! Dafür habe ich ja auch eine Schwäche!

    Liebe Grüße
    Jana

  6. Liebe Anja,
    Gerade hast du mich quasi in meine Jugend in Norwegen versetzt. Dort waren die Mumins omnipräsdent, der totale Trend aus Finnland. Überall gab es Figuren, Bücher, Filme und Merchandise zu kaufen. Wir haben im Advent immer Juledalen aus Pfefferkuchen nachgebaut. Mir gefällt es, dass die neuen Mumin-Bücher offenbar farbenprächtiger sind. Mir haben die kleinen schwarz-weiß-Zeichnungen zwar auch gut gefallen, vor allem als Kontrast zu den Mumin-Fernsehserien und -filmen, aber für Kinder ist das in der heutigen Zeit sicher ansprechender.
    Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap

    • Danke für den spannenden Einblick, liebe Miriam. Da hast du die Mumins ja ganz nahe ihrer „Heimat“ kennengelernt. 🙂
      Unserem Kind gefallen tatsächlich die großen, farbigen Illustrationen sehr. Und uns ebenso.
      Herzlichen Gruß
      Anja

  7. Pingback:DIE UNBEKANNTE GEFAHR HEIßT WEIHNACHTEN (Rezension: Weihnachten im Mumintal - Nach einer Erzählung von Tove Jansson) - STADT LAND WELTentdecker

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