DRACHENTANZ AM WINTERHIMMEL: WANDERUNG ZUR NORTHEIMER WILHELMSWIESE

Der Wind ist eisig an diesem zweiten Weihnachtsmorgen. Und besonders stark. Herbstwind quasi. Mit einer ordentlichen Portion Winter.
Vermutlich hatte es der Nikolaus geahnt. Denn der brachte dem Kind der Verwandten, die wir besuchen, einen Drachen.

Schal, Mütze, Mantel und rigoros abgelehnte Handschuhe

Wir ziehen uns also besonders warm an und verbinden unsere winterliche Weihnachtswanderung mit einem Herbst-Abenteuer.

Die erste kleine Sensation finden wir direkt vor der Haustür. In den Vertiefungen eines Blumenkastens gefrorenes Wasser hat beeindruckende Formen angenommen. Vier kleine Weltentdeckerhände untersuchen die schillernden Eisscheiben und -quader. Wärmen sie, bis klitzekleine Pfützen tropfend aus den Fingern rinnen. Werfen sie, bis sie leisscheppernd zerspringen. Stapeln sie bis zum Umfallen. Bis die kleinen Händchen frostig rot sind. Dennoch. Handschuhe werden vehement abgelehnt.

Waldwanderung mit Blick auf Stadt und Seen

Nun, weiter geht es. Unser Ziel ist die Wilhelmswiese, die östlich an Northeim grenzt. Und himmelwärts ausreichend Platz für wilde Drachen bietet.
Wir verlassen die Friedrichstraße, die zusammen mit der Wilhelmstraße, den Bundesstraßen 3 und 241 und In der Fluth einen großen Ring um die Altstadt formt, gen Süden, um bis zur Wiese noch einen Spaziergang am Waldrand entlang mit Blick auf die Stadt genießen zu können.

Wer lieber schneller am Ziel ist, kann mit dem Auto vom Ring östlich auf den Weinbergsweg fahren, der bis zur Wiese führt, und sein Fahrzeug direkt davor abstellen.

Es lohnt sich, das nicht zu tun.
Wir durchqueren ein ruhiges Wohnviertel, an das der Mischwald grenzt, den wir ansteuern. Die Gebäude, vorwiegend großzügig geschnittene Einfamilienhäuser, sind architektonisch äußerst vielfältig gestaltet – wenn auch fernab von zeitgenössisch – und spannend anzusehen.

Weiter geht es in den Wald, wo wir gleich den ersten Querweg wählen und quasi parallel zur bebauten Stadtgrenze laufen. Leicht erhaben gelegen, ist der Blick von hier auf die Stadt mit ihren durch Kiesabbau entstandenen Seen ein herrlicher.

Mittelalterliche Altstadt mit 800 Fachwerkhäusern

Als Stadt mit entsprechend verliehenen Rechten seit dem Jahr 1252 bestehend, leben heute etwa 30.000 Menschen in Northeim – Tendenz fallend. Die rund 20 Kilometer nördlich von Göttingen gelegene niedersächsische Kleinstadt ist ihrer Größe entsprechend touristisch aufgestellt – Heimatmuseum, Kino Neue Schauburg, Theater der Nacht und Waldbühne sind mit im Jahresverlauf wechselnden Angeboten von Sonderausstellungen zu verschiedenen Themen der Stadthistorie bis hin zu Freiluftkonzerten kulturelle Anlaufpunkte. Einen Spaziergang wert ist darüber hinaus die mittelalterliche Innenstadt mit ihren rund 800 Fachwerkhäusern.

Abenteuer Wald: Schafe und jede Menge Modder

Zurück in den Wald. Sanft geht es bergauf und bergab. Stets so, dass es sich gemütlich und ohne große Anstrengung gehen lässt, auch für die Kinder. Wer dennoch eine Pause einlegen möchte, sei es für ein Picknick oder einfach, um den Blick zu genießen, kann es sich auf einer der zahlreichen – mehr oder minder intakten – Bänke entlang des Weges gemütlich machen. Bei Regen bietet sogar eine kleine Hütte unweit der Wiese Unterschlupf.

Wir folgen dem Weg geradeaus, ohne eine Abbiegung zu nehmen – so laufen wir direkt auf die Wiese zu. Von Weitem blökt es. Schmuddelweiß bewollte Schafe, die es auf die kleinen Blättersträußchen in den Kinderhänden abgesehen haben. Und auf ihren Ruf hin sogleich freudig besucht werden.

Das letzte Wegende ist – zur Freude zumindest eines, unsres, Kindes – so matschig, dass wir auf der regengetränkten Erde wegrutschen und es die Hosenbeine hinauf spritzt. So weit hat es der anfängliche Frost also nicht geschafft. Wir patschen hindurch bis die Füße schließlich das Dunkelgrün der Winterwiese betreten.

Disc-Golf: Bunte Scheiben fliegen über die Wiese

Sofort fallen uns metallene Körbe auf, die wie eine Mischung aus Mülleimer und geschrumpftem Kettenkarussell anmuten. Sie sind wichtiger Teil des Disc-Golf-Parcours, den die Stadt Northeim hier kürzlich angelegt hat. Mit sogenannten Disc-Golf-Scheiben, die sehr an Frisbee-Scheiben erinnern, können Wiesen-Besucher auf die der besseren Sichtbarkeit aus der Ferne wegen gelbrandigen Körbe zielen. Gespielt werden kann mit eigenen oder geliehenen Scheiben. Gegen Gebühr und Pfand werden die runden Sportutensilien in der Tourist-Info, im Jugend- und Kulturzentrum und in der Jugendherberge ausgehändigt.

Drachenflug am regenbewölkten Himmel

Wir haben anderes vor.
Einmal kräftig am Reißverschluss des kleinen Beutelchens gezogen, ist der Taschendrachen auch schon einsatzbereit. Dank zweier Luftkammern, die der Wind rasch füllt, hebt das regenbogengefärbte Fluggerät, einmal kräftig nach oben geworfen, ab. Und kommt dabei gänzlich ohne Stäbe und aufwendigen Aufbau aus. Am großen Wickelgriff mit Schnur befestigt, können selbst kleinste Weltentdeckerhände den Einleinerdrachen wunderbar halten und beim stürmischen Tanz am Himmel beobachten. Dessen Farbe immer mehr von Windgrau zu Regenblau – und davon für dunkelste Sorte – wechselt.

Also ruckzuck den Rückweg antreten. Mit zwei vom winterlichen Herbstabenteuer wohlig erschöpften Kindern, die auf wechselnden Schultern und Armen nach Hause getragen werden. Trocken. Die Wolken warten mit dem Regnen, bis der Letzte von uns das Haus betritt. Keinen Moment länger.

26 Kommentare

  1. Beeindruckende Bilder und ein interessanter Bericht. Sehr einladend. Von mir aus gesehen, sind es ca. 3 bis 3,5 Stunden Fahrzeit bis Northeim. Kannst du ein Hotel empfehlen? gesichtet habe ich Hotel Schere, kennst du ein anderes?

    Grüße

    Igor

  2. Disk-Golf haben wir mal in Wolfenbüttel gespielt, das hat total Spaß gemacht. So ab zehn Jahren vielleicht würde ich das empfehlen.

  3. Guten Morgen,

    ein schöner Beitrag der zeigt das auch zu dieser Jahreszeit die Natur schön sein kann wenn es Grau und kalt ist. Und so ein toller Ausblick über die Umgebung. Traumhaft schön.

    Wünsche dir einen schönen Montag.
    Liebe Grüße
    Julia

  4. Hi Anja,
    Northeim klingt nach einer sehr schönen kleinen Stadt in der man viel mit Kindern unternehmen kann.
    Dass es in der nähe von Göttingen liegt ist mein Glück, da mein Patenkind da lebt.
    Jetzt weiß ich endlich was ich im Frühjahr mit dem kleinen unternehmen werde.
    Ich danke dir sehr für diesen spitzen Tipp!
    LG
    Stephan von Blindfuchs.de

  5. Das klingt nach einem tollen Abenteuer für groß und klein. Ich finde es ja immer toll, wie unterschiedlich die Landschaft aussieht je, nachdem zu welcher Jahreszeit man unterwegs ist. Wobei jede seine Vorteile hat.

    Liebe Grüße
    Beatrice

  6. Hallo,
    die Fotos sind so toll, sie sind dir richtig gut gelungen!
    Drachenfliegen ist hier auch ganz beliebt – und hier im Norden gibt es ja zahlreiche flache Möglichkeiten. 😉
    Liebe Grüße,
    Any

  7. Hallo,
    Da habt ihr ja einen wirklich schönen Ausflug gemacht trotz matschigen Weg. Von einem Taschendrachen habe ich noch nie gehört ( habe ja auch keine kleinen Kinder mehr) , scheint aber ne tolle Erfindung zu sein.
    Lg Ute reist

  8. Da habt Ihr das kalte Winterwetter ja gut genutzt. Das letzte Mal Drachensteigen liegt bei mir gefühlt schon 100 Jahre zurück, obwohl ich mich noch gut an den Moment und die strahlenden Kinderaugen erinnern kann! Wir müssen uns auch mal wieder einen zulegen! PS: An den Schäfchen wäre ich auch nicht vorbeigekommen!

    Liebe Grüße
    Jana

    • Liebe Jana,
      ich habe auch zuletzt in meiner Kindheit einen Drachen steigen lassen, damals an der Ostsee. Und ich gehe fest davon aus, dass meine Augen ebenso leuchteten wie die unseres Kindes beim ersten Drachenflug. ♡
      Herzlichen Gruß
      Anja

  9. Das sieht nach einer sehr ruhigen schönen Tour aus. Für‘s Drachen steigen lassen ist meine Maus noch zu klein, aber da freu ich mich schon drauf.

  10. Liebe Anja,
    Ich hab den Post schon bei Facebook entdeckt. Ich habe ewig keine Drachen mehr steigen lassen – und bei deinem Beitrag hab ich gleich Lust dazu bekommen. Als Kind hab ich das auch öfter mal gemacht, obwohl wir in meiner Ecke kaum Wind hatten. Im Sommer war ich in Norddeich an der Nordsee im Urlaub, da gab es mehrere Wiesen für Leute, die Drachensteigen lassen wollten, da war ganz schön was los am Himmel.
    Ich glaube aber, die kleinen Entdeckertouren bei euch hätten mir auch gefallen. Das Eis in den Blumenkästen zu inspizieren und in den Matsch springen (okay, klang ja nicht ganz so freiwillig bei euch Erwachsenen) sind einfach tolle Achtsamkeitsübungen.

    • Oh ja, liebe Miriam, wir lieben auch diese besonders kostbaren kleinen Momente, in denen wir das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren, weil uns unser Kind etwas ganz und gar Wunderbares zeigt, das es – voller Aufmerksamkeit für die Wunder der Welt – entdeckt hat.
      Herzlichen Gruß
      Anja

  11. Ein sehr schöner Bericht über eine interessante Wanderung. Über die hartnäckige Weigerung, sich Handschuhe anzuziehen, musste ich schmunzeln: das kam mir irgendwie sehr bekannt vor.
    Viele Grüße
    Annette

  12. Liebe Anja,

    was für einen wunderschönen Tag ihr doch verbracht habt. Da sieht man mal wieder, dass es kein schlechtes Wetter gibt. Ich kann gut verstehen, dass euer Kind keine Handschuhe anziehen wollte. Als Kind wollte ich das auch nie, das Erleben ohne störenden Stoff an den Händen ist doch wirklich was anderes.
    Und Drachenfliegen ist auch total cool.

    Liebe Grüße
    Mo

    • Liebe Mo,
      das ist ja spannend, dass du dich daran noch erinnern kannst. Wie es bei mir als Kind war, weiß ich gar nicht. Aber ich kann unser Kind durchaus verstehen – das Erleben ohne Handschuhe ist viel intensiver.
      Herzlichen Gruß
      Anja

  13. Hallo Anja,
    Schafe im Wald, ein seltener Anblick. Bei uns würden die Waldbesitzer ausrasten. Wir sind auch fast täglich im Wald, kein Wetter hält uns auf. Gibt es einen schöneren Platz zum Entspannen?
    Alles Liebe
    Annette

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