EIN WALD VOLLER TÖNE (Rezension)

* Leise Melodien weht uns der Wind aus dem Wald entgegen. Mal langsam, mal schnell. Und immer lauter, je näher wir der kleinen Lichtung hinter den großen Eichen kommen. Was mag das sein? Wir gehen weiter.

Und entdecken in der Ferne zwischen den grünblättrigen Büschen allerlei Tiere. Bär und Biber, Ente und Eule, und einen großen Hirsch mit Fledermaus, Schnecke und Frosch im Geweih, allesamt dicht gedrängt. Regungslos staunend stehen sie da, ihre Blicke auf die kleine gelbsandige Freifläche gerichtet.

Tierische Musiker auf der Waldbühne

Gebannt beobachten sie ein Eichhörnchen und einen Igel. Kein Wunder, denn aus ihrer Richtung kommt die Musik. Viel mehr noch: Die beiden spielen die Musik. Das Eichhörnchen zupft an den Saiten seiner Mandoline, der Igel streicht sanft den Bogen über seine Geige.

Als die Melodie verstummt, bekommen die beiden musikalischen Protagonisten aus Marie-Luise Dinglers Kinderbuch „Hurra, wir spielen ein Konzert“ wilden Applaus. Gezeichnet von Jessica Marquardt, hatten sich Eichhörnchen und Igel auf die Suche begeben. Nach einer Möglichkeit, anderen ihre schönen Stücke vorzuspielen, für die sie schon so lange geübt hatten. Ein Konzert, so richtig, mit Publikum und Bühne, wollten sie geben. Unbedingt. So einiger stürmischer Gegenwind blies ihnen entgegen.

Doch mit guten Freunden, Kreativität und jeder Menge Mut haben sie schließlich ihr Ziel erreicht. Und auf dem Weg dorthin jede Menge Abenteuer erlebt.

Eine wichtige Erfahrung und Erkenntnis, welche die junge Autorin aus Mannheim nicht nur mit ihrem Neffen, sondern am liebsten mit allen Kindern teilen möchte. Und deshalb kurzerhand den Corona-Lockdown nutzte, um aus der Idee ein Kinderbuch zu machen.

Violinistin bringt Fachwissen ins Kinderbuch

Selbst studierte Violinistin und (normalerweise) mit ihrem Bruder Christoph als „The Twiolins“ auf den Bühnen der Welt unterwegs, kennt sich Marie-Luise Dingler aus mit den Höhen und Tiefen des Musizierens. Einfühlsam und mit einer ordentlichen Portion Fachwissen überträgt sie den schwierigen Sprung vom Musikspiel daheim zum professionellen Musikgeschäft auf die Geschichte vom Eichhörnchen und Igel.

Eichhörnchen und Igel begegnen Rückschlägen mit Mut und Musik

Die Botschaft jedoch ist universell. Denn Rückschläge lauern an allen Ecken. Doch mit Geduld und Offenheit für Lösungen abseits ausgetretener Pfade können wir so manchen Traum verwirklichen.

Während sich Eichhörnchen und Igel auf ihrem gemeinsamen steinigen Weg immer wieder gegenseitig aufmuntern, sich trösten und einander Halt geben, ist uns der Druck der Musik an einigen Stellen zu hoch. Kaum zu glauben, dass beide so gern auf ihren Instrumenten Melodien spielen, bedarf es doch einiges Antriebs von außen. Als zum Beispiel nach der Absage von Herrn Motzbär, der das Duo nicht in der Stadthalle auftreten lassen will, ein Waldspaziergang nötig ist, damit Eichhörnchen und Igel wieder Freude am Musizieren haben. Oder als sich die beiden am Abend vor dem großen Konzert nur durch den Kompromiss langsam zu spielen zum letzten Üben motivierten können. Da möchten wir die tierischen Freunde zum Ballspielen auf die Wiese schicken, zum Kindsein, und erklären, dass Fehler menschlich sind und oft (mindestens) verziehen werden. Mehr noch, sie sind und machen menschlich und vielleicht manch Passage sogar besonders spannend.

Aquarell-Illustrationen nach Noten

Auch Jessica Marquardts Illustrationen zeigen die Wichtigkeit (und stellenweise Dominanz) der Musik. Kleine und große Buchentdecker sehen das Eichhörnchen und den Igel auf Bildern des Buches immer wieder mit ihren Instrumenten. Leider gibt es wenige Variationen in den Bildzusammenstellungen der Zeichnungen, sodass sich diese durchweg sehr ähneln. Elf Mal sind die beiden Tiere nebeneinander in der Frontansicht dargestellt, davon fünf Mal musizierend. Andere Motive und Perspektiven sind in der Unterzahl. Selbst die jüngsten Leser und Zuhörer erkennen solche Wiederholungen. Für sie können diese zu Schwierigkeiten in der Textauffassung führen, orientieren sie sich doch stark an den Bildern.

Schade, denn die handgezeichneten Aquarell-Illustrationen der studierten Umweltwissenschaftlerin sind ansonsten schön anzusehen. Liebevoll sind Details wie Käfer, Schmetterlinge und Blumen, kleine Noten, Violin- und Bassschlüssel um das jeweilige Hauptmotiv arrangiert. Die Farben sind hell und schaffen einen freundlichen Gesamteindruck.

Ungleichgewicht zwischen Text und Illustrationen

Uns erschließt sich deshalb nicht, weshalb die Zeichnungen so wenig Raum im Buch einnehmen. Der Großteil der Bilder füllt maximal eine halbe Seite. Die zwei doppelseitigen Illustrationen sind teilweise überdeckt von weißen Textfeldern, bedruckt mit schwarzer Schrift. Ein unruhiges Seitenbild entsteht. Eine helle Schriftfarbe auf der Zeichnung als dunklem Grund täte der Wirkung dieser größerflächigen Aquarelle gut.

Das unstimmige Zusammenspiel von Text und Illustrationen zieht sich auch bei den kleineren Abbildungen durch das Buch – Das Gelesene stimmt zum Teil nicht mit dem Gezeigten überein. Wenn wir zum Beispiel dicke Kullertränen im kleinen Igelgesicht sehen und darunter von seinem fröhlichen Waldspaziergang mit dem Eichhörnchen lesen. Oder als wir uns über den einäugigen Herrn Schneck wundern und erst auf der nächsten Seite erfahren, dass er seine Stielaugen ob der großen Überraschung über die Nachricht des Konzertes eingezogen hatte.

Ausmalbilder für kleine Farbkomponisten

Beide Komponenten jedoch sprechen unabhängig voneinander für sich und bergen die wunderbare Botschaft von der Kraft der Musik, grenzenloser Freundschaft und dem Glauben an die eigenen Fähigkeiten. Mit etwas Feinschliff kann die mutmachende Tiergeschichte in Kombination mit den kindgerechten Illustrationen zu einer zauberhaften Komposition werden. Vielleicht in der zweiten Auflage.

Kleine Farbkomponisten können übrigens auf den drei Ausmalseiten am Buchende ganz eigene Melodien entwickeln – von Blau und Lila, Gelb, Orange und Grün.

Hurra, wir spielen ein Konzert
Marie-Luise Dingler (Autorin), Jessica Marquardt (Illustratorin)
Altersempfehlung: 4 bis 9 Jahre
32 Seiten, gebunden
30.4 x 21.5 cm
The Twiolins Gbr, Christoph Asmus
27. November 2020
ISBN: 978-3966987288
15,00 Euro

Fotos: Anja Jürges/STADT LAND WELTentdecker
Cover/Titelgrafik: The Twiolins Gbr, Christoph Asmus/Jessica Marquardt

* Für den Beitrag wurde uns ein Rezensionsexemplar des Buches „Hurra, wir spielen ein Konzert“ zur Verfügung gestellt, er ist demnach Werbung. Der Text ist unbezahlt und zeigt lediglich unsere Erfahrungen und Meinung. DANKE für das Buch und die offene und herzliche Kommunikation, liebe Marie! ♡

Weitere Buchentdeckungen findet ihr hier.

20 Kommentare

  1. Liebe Anja,

    das Cover finde ich unheimlich süß und lockt mich sehr. Ich hatte gehofft, dass es im Buch selbst auch so schön weitergeht. Deine Kritik finde ich sehr sachlich und vor allem nützlich.
    Neugierig bin ich jetzt trotzdem geworden und habe mir das Buch mal notiert.

    Liebe Grüße
    Mo

  2. Hallo,
    Tiere die Musik machen und sich nicht unterkriegen lassen.
    Schönes lehrreiches Buch. Es wird wirklich Zeit, dass ich Enkelkinder bekomme.
    Lg Ute reist

  3. Liebe Anja,

    das Buch ist wirklich sehr schön für Kinder. Du hast es sehr gut beschrieben. Da werde ich sicherlich daran denken, wenn ich wieder ein neues Buch bestelle.

    Liebe Grüße,
    Alexa

  4. Liebe Anja,
    Was für ein süßes Kinderbuch – und die Message ist mal wieder so toll. Ich finde es super, dass du immer wieder zu Büchern greifst, die eine gewisse Botschaft vermitteln. Hier lernen Kinder einfach und kindgerecht, dass es immer Rückschläge gibt, aber man nicht aufgeben darf. Wunderbar.
    Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap

  5. Liebe Anja,
    schade das die gezeigten Illustrationen nicht mit den Handlungen der Geschichte übereinstimmen. An sich ist dieses Kinderbuch doch eine schöne Idee und hätte sich sicherlich gut zum Verschenken geeignet. Vielleicht gibt es noch mal eine Neuauflage, wo diese Dinge dann verbessert wurden.
    Herzliche Grüße
    Vivienne

  6. Es gibt ja doch noch richtig schöne Kinderbücher. Das finde ich schön. Mal ein Buch, statt Spielkonsole. Sehr schön.

  7. Hallo,

    von der Optik her ein tolles Buch von außen und auch die Geschichte ist schön. Schade aber das es mit den Bildern nicht überein passen. Da hätte man mehr aufpassen und es alles passend zu der Geschichte einbauen. Gerade auch wegen den Kindern die es richtig deuten und lernen sollen.Hoffe auch das es eine weitere Auflage gibt, die besser bearbeitet wird.

    Liebe Grüße
    Julia

  8. Liebe Anja, schade, dass dich das Buch nicht begeistert hat, auf den ersten Blick wirkt es wie eine spannende Kindergeschichte. Dennoch finde ich das Bildmaterial in einem solchen Buch, das für 4 bis 9 jährige Kinder ausgelegt ist enorm wichtig und natürlich sollte Text und Bild zusammenpassen.

    Danke für deine ehrliche und offene Rezession. Hab einen schönen Tag!

    • Gern, liebe Isa, und danke. 🙂
      Wir finden Illustrationen für die Altersgruppe auch sehr wichtig, da sie zum Textverständnis und damit zur Lesefreude beitragen. Vielleicht wird es ja eine Überarbeitung geben, damit Text und Illustrationen besser übereinstimmen.
      Herzlichen Gruß
      Anja

  9. Zuerst mal ein Lob für deine Blogbilder! Da warst du wirklich kreativ und hast mich mit jedem Bild überrascht! Das Buch habe ich gestern schon auf Facebook gesehen und finde es sehr schön! Ich stelle bald auch ein Waldbuch vor, aber in dem machen die Tiere leider keiner Musik! Auf jeden Fall eine schöne Vorstellung!

    Liebe Grüße
    Jana

  10. Hallo Anja,

    eigentlich wäre das Buch etwas für uns da wir doch fast täglich im und am Wald sind. Tja, manchmal haben wir halt mit der Buchauswahl Pech. Danke, dass du uns deine ehrliche Meinung gibst und schreibst, dass die Texte teilweise nicht zu den Illustrationen passen. Ich freue mich auf eine Überarbeitung des Buches!

    Liebe Grüße,
    Alexandra

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