WARUM? – UM DIE WELT ZU BEGREIFEN. (Rezension)

* „Warum?“, fragt das Kind. Gefühlt zum hundertsten Mal und scheinbar wahllos als Antwort auf jede meiner Äußerungen. Beim Nachfragen, was genau es eigentlich wissen möchte, wird allerdings deutlich, dass es ganz genau weiß, worum es geht. Und wo noch eine klitzekleine Kleinigkeit unklar ist. Meine Nachfrage zeigt, wie wichtig also reflektierte, ernst gemeinte und geduldig erklärende Antworten sind. Auch auf das hundertste „Warum?“.

Kinderfragen: große Fragen

Wie gut, dass auch der große Wolf aus Sabine Bohlmanns Kinderbuch „Du, Papa … Ist zehn viel?“, Ende Juni vom Verlag arsEdition herausgegeben, das erkannt hat. Frage um Frage beantwortet das von der Illustratorin Emilia Dziubak äußerst sanftmütig und freundlich dargestellte Tier seinem neugierigen Wolfskind. Auch wenn das manchmal gar nicht so einfach ist.

Denn ob zehn viel ist, kommt auf die Umstände an. Wollen beispielsweise zehn Ameisen eine Banane tragen, kämen sie wohl kaum voran. Sie bräuchten dringend Unterstützung. Zehn ist dann ziemlich wenig. Tragen aber zehn Affen eine Banane, könnte das ein großes Gedrängel und Geschubse geben. Zehn wäre dann ganz schön viel.

Ähnlich verhält es sich bei den Fragen danach, ob er, der junge Wolf, groß, schnell, dick oder flauschig ist. Ob wild, laut, stark oder lustig. Ob er gute Augen hat oder schlau ist. Immer kommt es darauf an. Doch was ist es, dieses darauf ankommen?

Geschichte von der Größe guter Antworten

Statt es sich mit einem kurzen „Ja“ oder „Nein“ als Antwort auf die Wolfskindfragen einfach zu machen, denkt der Papawolf gründlich über seine Aussagen nach. Und findet schließlich zur Einordnung einer jeden Frage seines kleinen Lieblings treffende Beispiele aus dem Wald- und Wildtierleben.

Er hilft dem Wolfsjungen damit, Zusammenhänge zu verstehen und Relationen zu begreifen. Und sich selbst als Teil eines großen Ganzen zu sehen – mal klein, mal groß. Mal dick, mal dünn. Mal stark, mal schwach. Je nach Blickwinkel.

Nur für die Antwort auf eine Frage braucht es keinerlei Beispiele, keine Erklärungen oder Vergleiche. Denn eine Eigenschaft ändert sich niemals. Aus keiner Perspektive. Der kleine Wolf ist liebenswert. Ganz gleich, ob er stark oder schwach ist. Ob dick oder dünn. Ob klein oder groß. Die Liebe seines Papas ihm gegenüber ist riesig.

Offenbar wird das jedoch nicht erst am Buchende mit der Antwort auf die Frage, ob der Papawolf seinen Sohn lieb habe, sondern schon in der herzlichen und respektvollen Art, in der Sabine Bohlmann die beiden Wölfe miteinander interagieren und kommunizieren lässt. Gemeinsam blicken sie auf den ruhigen See oder toben wild über die blumenbunte Lichtung, sie graben miteinander tiefe Erdlöcher, heulen dem Mond entgegen und schlummern dicht aneinander gekuschelt ein. Zusammen entdecken sie die Welt.

Zeichnungen zeigen Beziehungsqualität

Auch auf der Bildebene ist die innige Papa-Sohn-Beziehung der beiden Wölfe deutlich erkennbar. Feinfühlig findet Emilia Dziubak mit gutmütigen Wolfsblicken, liebkosenden Gesten, vertrauten Spielen und gemeinsamen Abenteuern Bilder dafür.

Bilder, in deren Fokus zwar das Wolfsduo und die Abbildung dessen Gesprächsinhaltes steht, die bei intensiverem Betrachten aber so einiges an Waldleben preisgeben. Einige Details der vorwiegend in Grün- und Brauntönen gehaltenen Zeichnungen wollen nicht nur von den kleinen und großen (Vor-)Lesern entdeckt werden, sondern entwickeln regelrecht eine Nah- und Fernwirkung.

Kleine Krabbler im Versteck

Schon der Schriftzug auf dem Titelbild ist reizvoll. Bei flüchtigem Blick schlicht aus roten Buchstaben, zeigen sich dem aufmerksamen Buchentdecker rote Zweige, gar mit zarten Trieben, an deren Enden winzige, hellgrüne Blätter sprießen.
Das Vorsatzpapier zeigt dicht verzweigtes Geäst. In dem sich einige kleine Krabbeltiere wohlfühlen. Wer genau hinsieht, findet Käfer, Bienen und Raupen. Die sich im Laufe des Buches hier und dort wieder zeigen.  
Typografisch ist die Gestaltung eher unauffällig, die Schriftart ist unaufgeregt. Die Textabschnitte transportieren lediglich die Geschichte und begleiten die Illustrationen zurückhaltend. Nur eine Ausnahme gibt es in der sonst durchgehend schwarzen Schriftfarbe. Jedoch sind die weißen Buchstaben auf dunkelgrünem Blättergrund leider nur bei guten Lichtverhältnissen mühelos zu lesen. Sie bilden eine Frage des jungen Wolfes ab. Eine von vielen.

Warum? Darum (und noch so viel mehr).

Zwölf Fragen stellt das Wolfskind seinem Papa. Die Antworten darauf fallen penibel gleich aus – bei elf der Fragen. Die beabsichtigte Monotonie im Dialog der Wölfe präsentiert die Antwort auf die letzte Frage, die das Schema sprengt, auf dem Goldteller.

Sabine Bohlmann gelingt damit eine raffinierte Wendung, welche der kindgerechten Sprache und Wortwahl dieser anrührenden Geschichte entspricht. Denn die allermeisten Eltern kennen wohl die Zeit, in der „Warum?“ das meistgenutzte Wort ihrer Kinder ist. Die allermeisten Kinder wollen es wirklich wissen. Mit der Sicherheit der hundertsten Nachfrage. Die es manchmal schlichtweg braucht, um ganz und gar sicher zu sein, dass die Antwort immer gleich ausfällt. Und um in seinem Anderssein das Wunder zu erkennen.

Liebevolle Aufforderung zum Fragen. Und Antworten. Hundertfach.

Kinder brauchen Antworten auf ihre vielen wichtigen Fragen, um die große, wilde und aufregende Welt zu begreifen. Unbedingt. Hören wir ihnen also geduldig zu und erklären. Oftmals können wir selbst dabei eine Menge lernen.

Unterdessen lasse ich mir zur Abwechslung mal von unsrem Kind die Welt erklären. Diese herrlich bunte mit ihren flauschigblauen Hunden, die unter rosa Zuckerwattebäumen herumtoben.

Titel: Du, Papa … Ist zehn viel?
Urheber: Sabine Bohlmann (Autorin), Emilia Dziubak (Illustratorin)
Altersempfehlung: ab 3 Jahren
Umfang: Hardcover, 32 Seiten
Maße: 288 mm x 221 mm
Herausgeber: Verlag arsEdition
Veröffentlichung: 30. Juni 2021
ISBN: 978-3-8458-4114-4
Preis: 15,00 Euro [D], 15,50 Euro [A]

Fotos: Anja Jürges/STADT LAND WELTentdecker
Cover/Titelgrafik: Verlag arsEdition

* Für den Beitrag wurde uns ein Rezensionsexemplar des Buches „Du, Papa … Ist zehn viel?“ zur Verfügung gestellt, er ist demnach Werbung. Der Text ist unbezahlt und zeigt lediglich unsere Erfahrungen und Meinung. DANKE für das schöne Buch und die unkomplizierte und herzliche Kommunikation, liebe Marlena! ♡

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12 Kommentare

  1. Liebe Anja,
    Dass zehn mal viel und mal wenig ist – darüber habe ich noch nie nachgedacht. Die Frage „Warum“ kenne sogar ich als Nicht-Mama durch meine Patenkinder, manche dieser Fragen sind echt anstrengend. Umso schöner, wenn das Buch in kindgerechter Sprache Antworten auf Fragen gibt.
    Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap

  2. Das klingt nach einem interessanten Buch, liebe Anja! Nach einem Buch, über das man reden kann, vor allem über die Antworten des Papas! Den Vergleich mit der Banane und den Affen und Ameisen fand ich richtig gut. Wäre gespannt, welche Fragen da noch beantwortet werden!

    Liebe Grüße
    Jana

  3. Hi Anja,
    ja Warum ist das …? kenne ich als Frage von meinen Neffen sehr gut.
    In diesen Augenblicken versuche ich meist geduldig die Fragen zu beantworten, doch nach der x-ten Frage bin ich dann doch froh dass ich selber keine Kinder habe.
    Dieses Buch klingt sehr schön und die Geschichte recht interessant, auch dass die Bilder so ansprechend gezeichnet wurden gefällt mir sehr gut.
    Ich werde das Buch gleich Freunden empfehlen.
    LG
    Stephan

    • Lieber Stephan,
      ich liebe es, mich mit meinem Kind zu unterhalten, dabei kann ich jede Menge lernen und es macht einfach Freude. Deshalb „stören“ mich die Fragen ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Ich finde es großartig, einen kleinen neugierigen Weltentdecker um mich zu haben. ♡
      Herzliche Grüße
      Anja

  4. Liebe Anja,

    erwähnte ich eigentlich schon mal, dass ich absoluter Wolfs-Fan bin? Schon allein deshalb spricht mich das Buch an. Die Überlegung hinter diesem Buch gefällt mir, denn die „Warum“ Fragen haben mich auch schon so manches Mal an den Rand der Ratlosigkeit getrieben.
    Ein bisschen schade finde ich es, dass manche Schriftzüge scheinbar nicht so leicht lesbar waren, vielleicht kann der Verlag in der Neuauflage nachbessern?
    Auf jeden Fall kommt das Buch auf meine Buchliste, ist bestimmt ein tolles Geschenk.

    Liebe Grüße
    Mo

    • Liebe Mo,
      ja, von einer Faszination für Wölfe hattest du schon einmal berichtet.
      Die helle Schrift auf dunkelgrünem Grund kommt tatsächlich nur bei einem Absatz vor, könnte aber wirklich etwas angepasst werden.
      Herzliche Grüße
      Anja

  5. Muss man Kinder wirklich zum Fragen auffordern? Meiner Erfahrung nach nicht, sie fragen einem eher Löcher in den Bauch und das ist toll. Sich selbst auf die Suche nach Antworten zu machen, ist jedoch ein klasse Ansatz. Daher ein hübsches Buch!
    Alles Liebe
    Annette

  6. Das Buch macht einen wirklich niedlichen Eindruck.
    ich mag die Idee gerne, Themen und Gefühle auch mal mit Zahlen ins Verhältnis zu setzen. Die Illustrationen sind klasse und auch Deine Art der Aufbereitung.
    Es gibt den jungen Leserinnen und Lesern (oder denen, die es vorgelesen bekommen) neue Ideen und Eindrücke. Top!

    • Danke für dein Lob, liebe Astrid. 🙂
      Das Buch lädt durch die Antworten aus verschiedenen Blickwinkeln auf jeden Fall auch dazu ein, die Dinge mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Das ist sehr wertvoll.
      Herzliche Grüße
      Anja

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