WUT LÄSST WASSER SPRUDELN (Rezension: Giesbert in der Regentonne)

* „Ich bin Giesbert und ich bin richtig wütend“, kichert das Kind. Und dreht den Wasserhahn bis zum Anschlag auf, dass es nur so spritzt.

Die Wasserliebe ist ihnen gemein, unserem Kind und dem Regenrinnen-Wicht aus Daniela Dreschers Kinderbuch „Giesbert in der Regentonne“, in diesem Jahr in der siebten Auflage herausgegeben vom Verlag Urachhaus. Ist Giesbert wütend, sprudelt aus allen Hähnen und Schläuchen Wasser, schwappt es nur so aus der Regentonne. Das Szenario bleibt uns bei den kindlichen Wutanfällen glücklicherweise erspart. Gespielt wird es dennoch liebend gern.

Doch zurück zum Anfang. Zurück zu dem Tag, an dem es in Strömen regnete und Giesbert von den Wassermassen aus der Regenrinne gespült wurde und durch das Regenrohr in die Regentonne platschte. Seit diesem Tag lebt der gutmütige, hilfsbereite Wicht in dem hölzernen Fass. Tür an Tür, wenn man so will, mit der Autorin und Illustratorin. Ihr Garten ist von diesem Moment an seine kleine Welt, die er mitsamt ihrer tierischen und zauberhaften Bewohner entdeckt. Und dabei allerlei erlebt.

Giesbert entdeckt den Garten und seine Bewohner

Er erfährt die Hilfsbereitschaft des alten, mürrischen Holundergeistes, der ihm eine neue Flöte schnitzt, als seine beim Sturz in das Regenfass zerbrochen war. Er hilft dem lahmflügeligen Rotkehlchen bei der Suche nach Futter und lernt dabei den Kater Munz kennen, mit dem er nach und nach Freundschaft schließt. Er übt mit dem Vierbeiner Wasserweitspucken, veranstaltet im Garten ein Schneckenwettkriechen, lässt seinen Husten vom Wegerich- und vom Huflattichwicht lindern und bringt schließlich wütend zum ersten Mal Regentonne und Wasserleitungen im Haus zum Überlaufen, als ein Waschbär zuerst den Garten verwüstet und dann auch noch sein geliebtes Schnittlauchbrot verputzt.

Giesbert sorgt zudem durch übereifriges Gießen des Blumenbeetes für eine Überschwemmung in der Mäusewohnung. Nicht jedoch, ohne der kinderreichen Nagerfamilie ein Ausweichquartier bereitzustellen. Der Regentonnen-Wicht verliebt sich in die anmutige Elfe Gisela, er unternimmt mit der Laufente einen Ausflug zum Weiher, kämpft mit dem wildsprudelnden Gartenschlauch und musiziert zusammen mit dem Frosch. Er planscht mit der Goldfischdame Molly und er hilft dem vergesslichen Eichhörnchen Tilli dabei, seine Haselnuss-Verstecke wiederzufinden. Und er träumt. Von einer Reise an den Nordpol, getragen auf dem Rücken von Eisbär Oskar. Oder stapfen die beiden wirklich durch den endlosen Schnee? Denn eine Eisschicht bedeckt inzwischen auch das Wasser in Giesberts Tonne. Es ist Winter geworden. Und damit Zeit, das Regenfass zu leeren. Doch wo soll der Regenrinnen-Wicht dann nur wohnen? Giesbert wäre nicht Giesbert und Daniela Drescher wohl nicht Autorin seiner fantasievollen Abenteuer, wenn sie nicht gemeinsam eine Lösung finden würden. Denn Kern der Geschichten ist oftmals die Lösung eines Problems. Oder aber die Hilfe in einer schwierigen Lage. Aus ganzem Herzen.

Tür an Tür mit einem Gartenwicht

Daniela Drescher erzählt in kurzen Kapiteln aus ihrer Perspektive Giesberts Abenteuer. Immer wieder gibt es kleine Schilderungen von gemeinsam erlebten Situationen, Anekdoten, welche aus der reinen Geschichte über einen wundersamen Wichtel einen echten Erlebnisbericht machen. Beinahe wie Tagebucheinträge lesen sich die spannenden Episoden, begleiten sie doch Daniela Drescher und ihren Gartenwicht im Buchverlauf durch die Jahreszeiten. Unaufgeregt-schildernd, aber immer auch mit etwas Spannung. Mit jeder Menge Freundschaft. Mit Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt. Mit jeder Menge Wunder.

Naturwissen in Geschichtenform

Die Erlebnisse ereignen sich mitten in der Natur. Und mit der Natur. So sind die allermeisten Charaktere Tiere und Pflanzenwichte. Sie stehen in engem Austausch miteinander, ihr Leben und Interagieren schafft kleine Geschichten – rings um den Regenrinnen-Wicht Giesbert. Neugierig und voller Unternehmungslust erkundet er seine Umgebung und lernt mit uns, wer und was da alles kreucht und fleucht und wächst.

Ist die Grundstimmung zwar fröhlich und wohlgesonnen, geprägt von Giesberts ansteckender Neugier und begleitet von seinem beschwingten Flötenspiel und seinen Gedichten, gibt es doch immer wieder auch mal kleine Konflikte. Mal Wut, mal Traurigkeit. Doch stets einen Ausweg oder jemanden, der hilft.

Detailreiche Aquarelle zeigen Wunder der Natur

Wortlose Nebendarsteller wie Käfer, Falter und Vögel sind bei genauem Betrachten der farbenprächtigen Illustrationen zu finden. Dazu laden die ausdrucksstarken Aquarelle mit ihren vielen liebevoll gestalteten Details regelrecht ein. Sie zeigen uns die unterschiedlichsten Winkel einer zauberhaften Gartenwelt als Schauplatz der einzelnen kurzen Geschichten. Sie nehmen uns mit auf kleine, fantasievolle Reisen.

Die Farbstimmung der verschiedenen Szenen ist durchweg angenehm natürlich. Und herrlich naturnah ist auch die Darstellung der Bildbestandteile. Ob Pflanzen oder Tiere – so, wie wir sie in Daniela Dreschers Zeichnungen sehen, könnten wir sie auch im Garten, im Wald oder auf der Wiese finden. Und wenn wir ganz genau hinsehen, vielleicht sogar einen der weißbärtigen Wichte und Geister.

Liebevoll angelegtes Layout

Eine schöne Kleinigkeit, die sich durch das gesamte Buch zieht und die Seitengestaltung belebt, sind die kleinen Frauenmantel-Blätter, ähnlich dem auf Giesberts Kopf, welche die Seitenzahlen begleiten.

Und auch die Typografie passt zum wasserliebenden Wicht. Vom dunkelblauen Titel auf dem vorderen Buchdeckel ebenso wie von den dunkelgrünen Kapitelüberschriften spritzen feine Wassertröpfchen kreuz und quer in alle Richtungen. Giesberts Gedichte heben sich in dunkelroten Zeilen von der übrigen Geschichte ab.

Zwei dieser gereimten Verse haben wir in Daniela Dreschers Büchlein „Pippa und Pelle machen gesund“ wiedergefunden. Während Giesbert mit einem Fingerschnipsen bekundet, dass ihn Huflattich und Spitzwegerich flugs gesund gemacht haben, ist es bei den Wichteln Pippa und Pelle die Raupe, deren Bauchweh mit einem grünem Blatt, dem Schnips und gleicher Wortwahl gelindert werden konnte.

Die auflockernden Gedichte, die große Schrift und die überschaubaren Episoden mit vielen, teils seitenfüllenden, Illustrationen machen „Giesbert in der Regentonne“ zu einem wunderbaren Kinderbuch auch für Erstleser. Ebenso können jedoch kleine Zuhörer Geschichte für Geschichte Giesbert bei seinen Streifzügen durch den Garten und die Umgebung begleiten und mit ihm all die kleinen und großen Wunder bestaunen, welche die Natur zu bieten hat.

Giesbert-Reihe bekommt Zuwachs

Dieser erste Teil der Giesbert-Reihe, die inzwischen drei Bände zählt, ist ein angenehm unaufgeregtes Kinderbuch mit genau der richtigen Portion Abenteuer. Es zeigt, wie spannend und lebendig es draußen vor der Haustür zugeht. Wir müssen nur hinschauen.

Weitere Erlebnisse des kleinen Regentonnen-Wichtels erzählt Daniela Drescher in den darauffolgenden Titeln „Giesbert hört das Gras wachsen“ und „Giesbert und der Gluckerbach“. Die drei Bände bauen zwar aufeinander auf, sind jedoch auch in anderer Reihenfolge gelesen gut zu verstehen. Ein weiteres Giesbert-Buch ist bereits in Arbeit.

Unser kleiner Giesbert hat unterdessen offenbar genug geplanscht. Die Wut darf verfliegen, das Wasser ruht. Und für die kleine Überschwemmung im Bad liegen Wischlappen bereit.

Titel: Giesbert in der Regentonne
Urheber: Daniela Drescher
Altersempfehlung: ab 5 Jahren
Umfang: 112 Seiten, gebunden
Maße: 24 x 17 cm
Herausgeber: Verlag Urachhaus
Veröffentlichung: 7. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8251-7988-5
Preis: 18,00 Euro

Fotos: Anja Jürges/STADT LAND WELTentdecker
Cover/Titelgrafik: Verlag Urachhaus

* Für den Beitrag wurde uns ein Rezensionsexemplar des Buches „Giesbert in der Regentonne“ zur Verfügung gestellt. Der Text ist unbezahlt und zeigt lediglich unsere Erfahrungen und Meinung. Ein herzliches DANKE für das schöne Buch und, an Claudia Rehm, für die unkomplizierte und herzliche Kommunikation! ♡

Unsere Rezension zum dritten Teil der Giesbert-Reihe, „Giesbert und der Gluckerbach“, könnt ihr hier nachlesen.

Weitere Kinderbücher von Daniela Drescher gibt es hier zu entdecken, weitere BUCHentdeckungen aus dem Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus findet ihr hier. All unsere BUCHentdeckungen sind hier gesammelt.

8 Kommentare

  1. Liebe Anja,

    die Titel rund um Giesberts Abenteuer sind ja zuckersüß. Da habe ich schon allein dadurch Lust Gisbert kennenzulernen.
    Besonders gefällt mir hier, dass Typografie des Buches und die Geschichte so gut zusammenpassen. Auch die Story selbst scheint die richtige Mischung für Kinder ab 5 Jahren bereitzuhalten.
    Ich nehme an, dass ihr uns die anderen beiden Bände auch noch vorstellt? Das würde mich sehr freuen.

    Liebe Grüße
    Mo

  2. Hi Anja,
    dieses Kinderbuch klingt nach einer richtig schönen Geschichte und vorallem nach einer schönen neuen Idee ein Kinderbuch zu schreiben.
    Auch das Die Autorin Weisheiten aus ihren anderen Büchern neu aufgreift gefällt mir sehr gut.
    LG
    Stephan

  3. Das klingt ja nach einer Menge Abentuer, die Giesbert da erlebt. Findet er denn auch seine große Liebe? Die Mäusewohnung zu fluten ist aber schon etwas gemein. Ich hoffe ja, dass er gut durch den Winter kommt und im Frühjahr wieder in seine Tonne ziehen darf! Schade dass man keine Bilder zeigen kann, ich hätte die Illustrationen sehr gerne gesehen.

  4. Der Giesbert scheint ja ein sehr fröhlicher Geselle zu sein! Ich habe vor ein paar Minuten noch ein altes Fotobuch durchgeschaut, in dem meine Tochter auch Wasserweitspucken geübt hatte, da musste ich gerade schmunzeln, als ich davon las! Dem lahmflügeligen Rotkehlchen hätte ich auch helfen müssen! Ich habe ein Herz für kleine Vögel und schon zwei aufgepäppelt! Ich würde es immer wieder tun!

    PS: Sehr schönes Buch mit wieder mal sehr schönen Botschaften drin!

    Liebe Grüße
    Jana

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert